dbb Landeschef Becker appelliert:
Fachverstand nicht länger ignorieren!
Der Vorsitzende des dbb berlin Frank Becker richtet einen dringenden Appell an die politischen Verantwortlichen, Entscheidungen in Sachen öffentlicher Dienst nicht länger ohne Einbeziehung des gewerkschaftlichen Sachverstands zu treffen. Längst fielen Senat und Regierungsparteien ihre Alleingänge, insbesondere in der Personalpolitik, gründlich auf die Füße, wie etwa zuletzt bei den Ausbrüchen aus der JVA Plötzensee. Dass dafür die völlig überlasteten Bediensteten verantwortlich sein sollen, glaube inzwischen jedenfalls niemand mehr. Wörtlich führt Becker aus:
"Muss denn wirklich immer erst etwas passieren, bevor die Politik handelt?! – Ich sage ‚Nein‘, wenn nur die Fachleute vor Ort in den Dienststellen endlich Gehör finden würden. Denn immer, wenn Missstände aufgetreten sind, haben Funktionsträgerinnen und Funktionsträger des dbb berlin und seiner Fachgewerkschaften die Verantwortlichen in Senat, Abgeordnetenhaus und Verwaltungen frühzeitig alarmiert, allerdings – leider zum Schaden aller – ohne groß Gehör zu finden, geschweige denn eine sachorientierte und auch langfristig tragfähige Entscheidung angestoßen zu haben. Ob es die enorme bauliche Mängelliste der Justizvollzugsanstalten, Schulen und sonstigen Landes- und Bezirksdienststellen, die Arbeitsüberlastung des Personals oder auch die unzureichende Ausstattung der Arbeitsplätze ist, immer wurde vom dbb berlin frühzeitig und mit belegbaren Tatsachen untermauert gewarnt und auf Korrektur gedrängt. Kritik am Personal des öffentlichen Dienstes lassen wir deshalb auch auf keinen Fall gelten.
Mitarbeiter nicht als Sündenböcke missbrauchen!
Schnell wird nämlich, wie auch im aktuellen Fall der Ausbrüche aus der JVA Plötzensee, der Schuldige gesucht und vermeintlich im Handumdrehen mit dem örtlichen Personal als Sündenbock gefunden. Die wahren Schuldigen an dem Desaster in der Berliner Verwaltung – so auch bei den Ausbrüchen in Plötzensee oder im Fall Amri – sitzen aber im Senat und im Abgeordnetenhaus. Wer ignoriert denn ständig die Vorschläge und Warnungen der gewerkschaftlichen Beschäftigtenvertreterinnen und -vertreter? Wer hat denn alle Forderungen nach ausreichendem Personal für den öffentlichen Dienst in Berlin, insbesondere für die Sicherheitsbehörden des Landes in den vergangenen Jahren immer wieder abgeschmettert? Geschieht dann ein Unglück, wie der furchtbare Anschlag auf dem Breitscheidplatz, wird in der Öffentlichkeit ganz schnell unseren Kolleginnen und Kollegen der Schwarze Peter zugeschoben und nicht etwa der eigene Personalabbau hinterfragt.
Verantwortung wird abgewälzt
Aus diesen Erfahrungen heraus kann ich nur alle Beschäftigtenvertretungen ermuntern, ihre begründeten Forderungen nach ausreichendem Personal sorgfältig zu dokumentieren, damit Politikerinnen und Politiker bei Unglücken und Pannen immer wieder mit der Frage konfrontiert werden können: Warum habt ihr den Empfehlungen aus der Verwaltung, von den Beschäftigtenvertreterinnen und -vertretern, die tagtäglich vor Ort die vielfältigen und steigenden Aufgaben im öffentlichen Dienst unter hohem Zeitdruck bewältigen müssen, nicht geglaubt und – womöglich aus ideologischen Gründen – anders entschieden? Die Politik soll endlich in der Öffentlichkeit die Verantwortung für ihre hausgemachte Mangelwirtschaft übernehmen und nicht die Kolleginnen und Kollegen vors Loch schieben, die sich über alle Maßen engagieren und oft eine unerträglich hohen Überstundenzahl – wie etwa im Polizeidienst der Polizei – vor sich her schieben.
Schlechter Lohn für große Mühen
Es macht mich ausgesprochen wütend mitzuerleben, wie sich Kolleginnen und Kollegen für Staat und Gesellschaft, ja für uns alle abstrampeln, und zum Lohn, sofern sie Beamte sind, nicht nur bundesweit am schlechtesten bezahlt werden, sondern sich bei Pannen auch noch unverdientermaßen beschimpfen lassen müssen.
Endlich ausreichend Personal bereitstellen!
Denn fest steht: Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes können ihre gesetzlich verankerten Aufgaben nur dann gut und zuverlässig erledigen, wenn das notwendige Personal zur Verfügung gestellt wird. Absolut unverständlich ist es deshalb, wenn beispielsweise im Senat und Fachausschuss dringend für eine Aufstockung des Personals beim Verfassungsschutz plädiert wird, anschließend aber vom Hauptausschuss diese Erkenntnisse – offensichtlich aus ideologischen Gründen – einfach vom Tisch gefegt werden.
Extrem ärgerlich und längst von einem eklatanten Mangel an qualifizierten Pädagogen begleitet ist auch die starre Haltung des Senats gegen eine Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern, die wir gemeinsam mit unseren Lehrergewerkschaften und -verbänden regelmäßig einfordern. Nachdem alle anderen Bundesländer inzwischen wieder flächendeckend verbeamten, können wir für den Berliner Kurs der "Nichtverbeamtung" nur noch ideologische Gründe erkennen. Während der dbb insgesamt in Bund und Ländern der festen Überzeugung ist, dass das Grundgesetz den Bildungsbereich Beamten vorbehalten will, damit es in diesem wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge nicht zu Ausfällen durch Streiks kommen kann, pflegt der Berliner Senat hier offenbar immer noch eine undifferenzierte Sozialromantik zu Lasten der Schüler und Eltern.
Weitere Fehlentwicklungen in den Berliner Verwaltungen aufzulisten, fällt nicht schwer. Deshalb, werte liebe Senatsmitglieder, werte Parlamentarier/innen werte Verantwortliche in Verwaltung, Betrieben, Anstalten und im privatisierten Dienstleistungssektor, ermuntere ich Sie nochmals, bei aktuellen Herausforderungen stärker auf die Hilfe und die Beratung von Fachleuten aus dem öffentlichen Dienst und auf den dbb berlin und seiner Fachgewerkschaften und -verbände zu setzen.“