„Dann schreib' ich eine Überlastungsanzeige...“

Aber bringt mir das auch was?

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

in Zeiten von Stellenstreichungen und Arbeitszeitverkürzungen werden Sie sich sicher mehr als bisher fragen, wie Sie Ihre Arbeit noch bewältigen können. Immer mehr Arbeit muss in kürzerer Zeit von immer weniger Personal erledigt werden.

 

Einige von Ihnen werden auch zuvor schon am Rande der Kapazitäts- und Belastungsgrenze gearbeitet haben. Hört man sich auf den Fluren der Behörden um, so machen vielfach die Worte „Rückstände, Zeitmangel und Überlastung“ die Runde. Und je nach Gemüt reagiert der Einzelne unterschiedlich – aber immer öfter fällt dabei auch der Begriff „Überlastungsanzeige“.

Was ist damit gemeint?

 

Da dies viele Kolleginnen und Kollegen nicht wissen, wollen wir es etwas aufhellen. Denn es fragen immer mehr:

 

 

„Wie sieht die Rechtslage aus?

Was ist eine Überlastungsanzeige und was bewirkt sie?

Welche Konsequenzen – in positiver wie auch negativer Richtung – können sich ergeben?“

 

 

Wir wollen Ihnen daher Hinweise zur Rechtslage und Entscheidungsfindung an die Hand geben.

 

Den vielzitierten Begriff der „Überlastungsanzeige“ gibt es in den Rechtsvorschriften zunächst einmal gar nicht. Die „Überlastungsanzeigen“ der Vergangenheit fußten auf Anhang II der Gemeinsamen Geschäftsordnung I (GGO I) Nr. 16 Abs. 1, der vorschrieb, dass der Mitarbeiter seinen Vorgesetzten unverzüglich und unaufgefordert zu unterrichten hat, wenn Probleme und Schwierigkeiten auftreten, insbesondere, wenn ein Mitarbeiter seine Arbeit nicht in angemessener Zeit erledigen kann.

 

Durch die Änderung der GGO I (Stand: 18. Oktober 2011) ist die Verantwortung für die Handlungen nach dem Wortlaut des § 10 nunmehr auf die Beschäftigten übergegangen. Dort wird geregelt, dass „der Bearbeiter die Verantwortung für sein Tun und Unterlassen

 

(Handlungsverantwortung)“ trägt. Auch wenn die Handlungsverantwortung bei den Bearbeitern liegt, können sich Vorgesetzte nicht aus ihrer Führungsverantwortung stehlen. In § 9 ist nun die Führungsverantwortung geregelt (Abs. 1: „Führungskräfte sorgen initiativ dafür, dass die zu erbringenden Leistungen rechtzeitig, wirksam und wirtschaftlich erfüllt werden.“ Aus der Handlungsverantwortung des Bearbeiters ergibt sich auch, dass man es nicht Unterlassen darf, seinen Vorgesetzten auf „Missstände und Fehlentwicklungen“ beim Arbeitspensum hinzuweisen.

Aber warum ist es so wichtig, dass man darauf hinweist?

 

Folgen einer Überlastungssituation können Fehler oder Mängel in der Tätigkeit sein. Dies spiegelt sich u. a. in einer längeren Bearbeitungsdauer, Beschwerden von internen oder extern Kunden, Fristversäumnisse, Regressansprüche etc. wider. Um sich also nicht schadensersatzpflichtig zu machen, ist ein rechtzeitiger Hinweis an den Arbeitgeber bzw. Dienstherrn über die Überlastungssituation erforderlich. Ähnlich ist die Rechtslage im Beamtenrecht. Das besondere Dienst- und Treueverhältnis beruht auf Gegenseitigkeit. Einerseits ist der Dienstherr aufgrund seiner besonderen Fürsorgepflicht dazu angehalten, die Arbeitsverhältnisse so zu gestalten, dass keine Überlastung bei seinen Beamten eintritt, andererseits ist der Beamte im Rahmen seiner Beratungs- und Hinweispflicht dazu angehalten, den Dienstherrn über Missstände etc. frühzeitig zu unterrichten. Hierzu gehört auch die Überlastungsanzeige, die im Übrigen von jedem persönlich eingereicht werden muss. Kollektive Überlastungsanzeigen sind, wie die Vergangenheit zeigte, nicht zulässig.

 

Das Unterlassen einer Überlastungsanzeige kann daher sogar im Einzelfall ein Dienstvergehen sein und den Beamten u. U. schadenersatzpflichtig machen, zumindest aber muss er sich u. U. ein erhebliches Mitverschulden (§ 254 BGB) zurechnen lassen.

Rechtliche Grundlagen einer Überlastungsanzeige

 

§ 242 BGB verpflichtet u. a. die Beschäftigten, ihre Arbeitsleistung so zu erbringen, „wie Treu und Glauben auf die Verkehrssitte es erfordern.“ Darum müssen die Beschäftigten ihren Vorgesetzten ohne Zögern Bescheid geben, wenn Arbeit unverrichtet oder mangelhaft liegen bleibt. Die Beschäftigten entgehen so auch der sonst möglichen „Arbeitnehmerhaftung“ wegen „Übernahmeverschulden“. Überlastungsanzeigen sind darum auch Entlastungsanzeigen.

 

§ 618 BGB verpflichtet umgekehrt den Arbeitgeber, Dienstleistungen unter seiner Leitung „so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.“

 

Für Berliner Landesbeamtinnen und -beamte gelten § 48 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) und § 72 LBG. § 48 BeamtStG enthält folgende Regelung: „Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, haben dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“ (…)

 

Weitergehend ist in § 72 LBG die Pflicht zum Schadensersatz durch Ausführungen zur Verjährung und zum Übergang von Ersatzansprüchen näher ausgeführt:

 

§ 72 Pflicht zum Schadensersatz

 

(1) Ansprüche nach § 48 des Beamtenstatusgesetzes verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person der oder des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren von der Begehung der Handlung an. Hat der Dienstherr Dritten Geldersatz geleistet oder hat er zur Folgenbeseitigung Mittel aufgewendet, so tritt an die Stelle des Zeitpunktes, in dem der Dienstherr von dem Schaden Kenntnis erlangt, der Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf Geldersatz oder Folgenbeseitigung anerkannt oder rechtskräftig festgestellt wird.

 

(2) Leistet die Beamtin oder der Beamte dem Dienstherrn Ersatz und hat dieser einen Ersatzanspruch gegen Dritte, so geht der Ersatzanspruch auf die Beamtin oder den Beamten über.

 

Bei dieser Thematik könnte zudem der Fürsorgeaspekt des Dienstherrn erwähnt werden. Dieser ist für den Bereich der Länder in § 45 BeamtStG niedergelegt. Hiernach hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten (…) zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung. Hinsichtlich der dienstlichen Beanspruchung wird in der Literatur vertreten, dass grundsätzlich jeder Beamte dem Dienstherrn für jede seiner Laufbahn und seinem statusrechtlichen Amt entsprechende Aufgabe zur Verfügung steht und damit verbundene Belastungen hinnehmen muss. Jedoch kann es die Fürsorgepflicht erfordern, besondere Belastungen z.B. durch notwendige Mehrarbeit, durch Rufbereitschaft oder durch hohe, nicht auf die Arbeitszeit anrechenbare Reisezeit, durch organisatorische Vorkehrungen  und ggf. Verteilung auf mehrere Beschäftigte in möglichst erträglichen Grenzen zu halten sowie eine  verbleibende, ungewöhnlich hohe Beanspruchung z.B. durch Freizeit auszugleichen, soweit dies nicht schon arbeitszeitrechtlich geregelt ist (Plog/Wiedow, Kommentar zum BBG, § 78 Rz. 64). Die Anzeige einer Überlastung durch die Beamtin/den Beamten ist allerdings in der zitierten Kommentarliteratur nicht erwähnt.

 

Im Hinblick auf die Schadenshaftung von Tarifbeschäftigten ist zu sagen, dass für diese nach § 3 Abs. 7 TV-L die Bestimmungen Anwendung finden, die für Beamtinnen und Beamte des jeweiligen Landes gelten.

 

An neuerer Rechtsprechung verweisen wir auf die Entscheidungen des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 05.10.2010 – 1 A 3306/08 (DÖV 2011, 81) sowie des OVG Berlin-Brandenburg vom 20.12.2007 – OVG 4 B 19.07.

 

Denken Sie daran – ständige Überlastung im Berufsleben kann zu ernsten Erkrankungen führen. Immer häufiger ist von „Burn out“ die Rede. Burn out beschreibt einen Zustand, in dem nichts mehr geht, die Betroffenen sich „ausgebrannt“ fühlen. Sie leiden unter körperlicher und seelischer Erschöpfung. Burn out ist ein Zustand, der sich nicht schlagartig, sondern schleichend einstellt, meist als Folge einer längeren Überforderung!

 

Die Belastungsgrenze ist spätestens dann überschritten, wenn der Körper streikt, der Stress unerträglich wird, Familienleben praktisch nicht mehr stattfindet. Trauer und auch Wut sind häufig zu spürende Gefühle.

 

Mit einer Überlastungsanzeige machen Sie unmissverständlich klar, dass es so nicht weitergehen kann. Weil mündliche Aussagen oft nicht ernst genommen werden, ist es wichtig, dies schriftlich zu machen und somit nicht mehr haftbar gemacht zu werden. Sie schützen sich, indem Sie auf die Mängel aufmerksam machen und auf Abhilfe drängen. Die Verantwortung tätig zu werden, liegt dann beim Arbeitgeber/Dienstherrn.

 

Fordern Sie die Unterstützung Ihres Personalrats einstellen Sie diesem auf jeden Fall eine Kopie der Überlastungsanzeige zur Verfügung.

 

Die Überlastungsanzeige dient dazu, dem Arbeitgeber bzw. den Führungskräften Mängel zu verdeutlichen (z. B. unzureichende personelle Besetzung) mit dem Ziel, Änderungen zu erreichen. Der Arbeitnehmer bleibt jedoch grundsätzlich in der Pflicht, seine Dienstleistung unter Berücksichtigung der Weisungen mit der erforderlichen Sorgfalt zu erbringen.

 

Eine Überlastungsanzeige berechtigt nie zu pflichtwidrigem Handeln. Sie entbindet den Arbeitnehmer nicht von seinen Pflichten zur sorgfältigen Arbeitsleistung.

Was sollte eine Überlastungsanzeige enthalten?

 

Inhaltlich muss die Überlastungsanzeige konkret die Situation am Arbeitsplatz schildern. Weiterhin sollte geschildert werden, was der verantwortliche Mitarbeiter bereits unternommen hat, um die Situation zu verbessern.

 

Die Überlastungsanzeige dient dem Schutz des Anzeigenden. Durch die Überlastungs-anzeige macht der Anzeigende dem Dienstherrn/Arbeitgeber deutlich, dass das vorliegende Pensum durch ihn nicht mehr bewältigt werden kann und deshalb Fehler nicht auszuschließen sind.

 

Der Zeitpunkt ist spätestens dann gegeben, wenn die Übersicht über die zu leistende Arbeit verloren gegangen ist und/oder dem Anzeigenden die Abarbeitung für ihn aus eigener Kraft erkennbar nicht möglich ist.

 

Überlastung kann auftreten bei längerfristigen Vertretungen (z. B. Krankheit) sowie bei einem über dem Durchschnitt liegenden Pensum. Durchaus können Antragseingänge in unüblicher Anzahl, die zu einer bestimmten Zeit zu erledigen sind (Stoßarbeit), zu Überlastungen führen und sind daher ggf. anzuzeigen.

 

Erfolgt durch den Dienstherrn keine Entlastung, können entstehende Fehler nicht zu Lasten des Anzeigenden bewertet und geahndet werden.

 

Abschließend machen wir darauf aufmerksam, dass die Mitglieder in den Fachgewerkschaften und Verbänden des dbb beamtenbund und tarifunion berlin – sollte es zu Regressforderungen kommen – Rechtsschutz entsprechend der Rechtsschutzordnungen beantragen können.

 

Info zur Überlastungsanzeige (PDF)

Muster einer Überlastungsanzeige (doc)